Pressekonferenz 25.09.2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Medienvertreterinnen und Vertreter,
Schönen guten Morgen!
ich darf sie herzlich hier begrüßen zu unserer Pressekonferenz im Presseclub Concordia.
Mein Name ist Canan Yasar, Bundesvorsitzende der Muslimischen Jugend Österreich. Das ist meine Kollegin Esma Diman und wir haben die wundervolle Aufgabe Sie durch die heutige Pressekonferenz zu begleiten.
Inhaltlich wird es wie bereits angekündigt, um die sogenannte „Studie“ mit dem Titel: „The Muslim Brotherhood in Austria“ gehen. Meine Kollegin Esma Diman und ich werden auf die Vorwürfe, die gegenüber der MJÖ geäußert werden, Stellung beziehen.
Im zweiten und abschließenden Teil wird der Ehrenpräsident der MJÖ Prof. Anas Schakfeh zu weiteren relevanten Punkten der Studie Bezug nehmen.
Wir sind irritiert,
wir sind gelangweilt,
wir sind ang‘feit!
Doch was ist der Grund unserer Aufregung? Was hat uns als dazu bewegt, diese Pressekonferenz abzuhalten?
Manche von Ihnen haben sich vielleicht die Mühe gemacht, die sogenannte „Studie“ zu lesen oder mindestens durchzublättern.
Der Grund für unsere Aufregung ist nicht die eine oder andere Zeile, die eine oder andere Behauptung, sondern die Tatsache, dass wir als MJÖ überhaupt in diesem Bericht erwähnt werden.
Für diejenigen, die sich bis jetzt nicht mit der „Studie“ befasst haben, anbei einige Schlagwörter, die sich unzählige Male in diesem Pamphlet wiederholen.
Wie zum Beispiel:
Extremismus, Terror, Gewalt, radikal, terroristische Attacke, Gefahr, Jihadismus, Spaltung der Gesellschaft, islamistische Bewegung, Opferrolle, Islamisierung, Bedrohung der Demokratie, politischer Islam, Bedrohung, Netzwerk, Terrororganisation, salafistisch, Widerspruch zu europäischen Werten...
Nicht nur, dass die Muslimische Jugend Österreich mit all dem nichts zu tun hat.
Die Muslimische Jugend Österreich steht genau für das Gegenteil:
Die MJÖ steht für ein friedliches Zusammenleben.
Die MJÖ steht für eine solidarische und offene Gesellschaft.
Die MJÖ steht für demokratische Partizipation und aktive StaatsbürgerInnenschaft.
Die MJÖ steht für kritisches Denken.
Die MJÖ steht für Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung.
Die MJÖ steht für Säkularität.
Die MJÖ steht für die Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Religion und Weltanschauung, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder sozialen Herkunft.
Und in erster Linie steht die MJÖ für Jugend, Kreativität und Spaß am Leben.
Uns gibts seit 1996.
Die Gründungsidee der MJÖ ist eine Kritik an den vorhandenen Strukturen der muslimischen Community.
So ist die MJÖ eine unabhängige, deutschsprachige Jugendorganisation von und für Jugendliche.
Unsere Arbeit wurde von Anbeginn von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen unterstützt. Dies deckt sich mit dem Verständnis der MJÖ, ein fester Teil der österreichischen Gesellschaft zu sein.
Seit nun mehr 10 Jahren ist die Muslimische Jugend Österreich im Vorstand der Bundesjugendvertretung, sechs davon sogar im Vorsitz. Auch aktuell stellt die MJÖ einen der Vorsitzenden und vertritt damit die Anliegen und Rechte aller Kinder und Jugendlichen in Österreich.
Wir rufen junge Menschen dazu auf, sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen einzubringen und bieten ihnen einen Raum für Entwicklung, Partizipation und Mitbestimmung.
In zahlreichen Aktionen wie zum Beispiel „Schenk ein Lächeln“, der „Mahnwache für den Frieden“ oder „Gemeinsam gegen Terror“, setzen wir uns immer wieder mit anderen Jugendorganisationen für ein friedliches Zusammenleben ein.
Sei es die Teilnahme an den alljährlichen Gedenkveranstaltungen zur Schoah wie zum Beispiel die Befreiungsfeier in Mauthausen, christlich-islamische Dialogprojekte wie zum Beispiel „Allah Unser“ oder die „Spiritours“-Reise mit der Katholischen Jugend: Die MJÖ leistet einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenwachsen der nächsten Generation.
Wir leben Solidarität: im Zuge des Projekts „Fasten Teilen Helfen“ leisten muslimische Jugendliche ehrenamtliche, karitative Arbeit, um ihrer Gesellschaft etwas zurückzugeben. Sie kochen für Obdachlose, kümmern sich um ältere Menschen in Seniorenheimen und betreuen Kinder in Notunterkünften.
Wann immer unser Land uns braucht, sind wir da. Bei zahlreichen Naturkatastrophen, standen wir unseren Mitmenschen und Einsatzkräften zur Seite.
Wir sind eine feministische Organisation und streben eine Gesellschaft an, in der alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleichermaßen an allen Bereichen des Lebens teilnehmen.
Wir möchten mit der aktiven Förderung von Frauen, Rollenbilder und Stereotype aufbrechen, und diese dazu ermächtigen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Während Frauen in Führungspositionen noch immer eine Seltenheit sind, wird die MJÖ seit fast zehn Jahren von weiblichen Vorsitzenden geführt.
Den in aktuellen Diskussionen oft geforderten „Islam europäischer Prägung“ haben wir bereits vor 20 Jahren mit der „österreichisch-islamischen Identität“ zum Fundament unserer Arbeit erklärt. Damit wurden wir nicht nur von anderen Jugendorganisationen und staatlichen Einrichtungen positiv aufgenommen, sondern auch von MedienvertreterInnen und politischen EntscheidungsträgerInnen.
Entsprechend konstruktiv gestaltete sich auch die Zusammenarbeit.
Im Herbst 2014 hielt die MJÖ vier sehr erfolgreiche Pressekonferenzen zum Entwurf des neuen Islamgesetzes ab und positionierte sich mit ihrer Kritik gegen den ausgearbeiteten Gesetzesentwurf. Unsere Kritik wie auch unsere Lösungsvorschläge wurden von Medien, Religionsrechts- und Verfassungsexperten positiv aufgenommen und stießen auf großes Interesse.
Merkwürdigerweise kam es genau zu dieser Zeit zu einer Wende in der medialen Berichterstattung über die MJÖ: erstmals gab es tendenziöse Berichte, die uns in ihrer Intensität überraschten.
Unter anderem wurde das erste Mal der Vorwurf der Nähe zur Muslimbruderschaft medial verbreitet, welcher von dem amerikanisch-italienischen Rechtswissenschaftler Lorenzo Vidino getätigt wurde.
Aufgrund der falschen Tatsachenbehauptungen und ihrem rufschädigenden Charakter sahen wir uns genötigt, uns juristisch zur Wehr zu setzen. Mit gerichtlicher Hilfe konnten wir entsprechende Richtigstellungen erwirken.
Obwohl wir bereits mehrfach dazu Stellung bezogen haben, werden diese unwahren, rufschädigenden Behauptungen immer wieder verbreitet. Für ihre Urteile scheinen unsere tatsächlichen Aktivitäten irrelevant.
Und damit kommen wir zu unserer angesprochenen „Angfeitheit“:
Diesmal ist der Vorwurf in einer fragwürdigen „Studie“ eingebettet, durchgeführt von demselben Herrn Vidino.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die sogenannte „Studie“ verwendet zu fast 50% Zeitungsartikel als Quellen – hier sind Internetblogs ausgenommen. Wir sprechen hier nicht von wissenschaftlichen Publikationen, sondern über Interviews, Gastkommentare und zweifelhafte Blogeinträge. In keiner Arbeit, die den Anspruch erhebt wissenschaftlich zu sein, sind diese als seriöse Primärquellen zulässig. In Bezug auf Informationen zur Muslimbruderschaft in Österreich zitiert er sogar Zeitungsartikel, in denen er selbst interviewt wird. Lassen wir uns das mal kurz auf der Zunge zergehen: Um zu beweisen, dass es stimmt was er behauptet hat, sagt er, dass er das schon einmal gesagt habe.
Abgesehen davon zitiert der Autor nur selektiv aus seinen Quellen, sodass ausschließlich sein Argument gestützt wird. Seinem Argument widersprechende Stellen derselben Quelle werden gezielt ausgelassen. 13 % der Verweise stellen selbst geführte Interviews dar, die nicht als Anhang veröffentlicht sind und deren InterviewpartnerInnen nicht genannt werden. Zudem werden höchst umstrittene Thinktanks wie MEMRI (Middle East Media Research Institute) als Quellen herangezogen. Eine detaillierte Auflistung aller wissenschaftlichen Defizite dieser „Studie“ finden Sie in der Pressemappe.
Es geht bei der Herstellung einer Verbindung zur Muslimbruderschaft um Sippenhaftung, wilde Assoziationen, konstruierte Beziehungen und schlichtweg unwahre Behauptungen, die zu Diffamierung führen.
Das Erste was wir unternahmen war die Kontaktaufnahme mit den österreichischen Institutionen. An dieser Stelle möchten wir unseren Dank gegenüber der Universität Wien, dem BMI und dem BVT aussprechen, die unsere Anfragen sofort beantwortet haben. Entsprechend unserer Erwartung hat uns die Universität Wien mitgeteilt, dass sie keinerlei inhaltlichen Beitrag geleistet hat. Sie finden die entsprechende Email in der Pressemappe.
Darüber hinaus hatten wir letzte Woche die Gelegenheit, das Bundesministerium für Inneres und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung persönlich zu treffen. Es war eine Erleichterung, im Gespräch mit einem Kabinettsmitglied des Innenministers sowie dem Direktor des BVT zu erfahren, dass beide Institutionen ebenfalls keinen inhaltlichen Beitrag geleistet haben.
Dies entspricht auch der Beantwortung einer parlamentarische Anfrage vom Februar 2017, welche klipp und klar unsere Unabhängigkeit bestätigt:
„Dem Bundesministerium für Inneres liegen keine Erkenntnisse zu Verbindungen von Mitgliedern der Muslimischen Jugend Österreichs zu Personen, die der Muslimbruderschaft angehören, vor.“
An dieser Stelle möchte ich nochmal unterstreichen:
Die MJÖ hat und hatte keine persönliche, organisatorische, ideologische, finanzielle oder sonstige Nähe zur Muslimbruderschaft.
Und zu guter Letzt, möchte ich mit einem Zitat der afroamerikanischen Schriftstellerin Toni Morrison abschließen:
“The very serious function of racism is distraction. It keeps you from doing your work. It keeps you explaining, over and over again, your reason for being.”
Und mit diesem treffenden Worten möchte ich nun diese Pressekonferenz aber auch dieses Thema beenden, denn wir haben wirklich wichtigeres zu tun.
Diese Jugendliche unseres Landes, die jungen Musliminnen und Muslime haben es verdient, dass wir uns um sie kümmern. Ihnen einen Raum geben, in dem sie einfach sein können und in dem sie sich frei entfalten können.
http://www.mjoe.at/presse/pressemappen/